Krankenhäuser suchen Fachkräfte

In der Gesundheitsbranche ist der Kampf um Talente voll entbrannt. Insbesondere kleinere Krankenhäuser in ländlichen Gegenden positionieren sich im Arbeitgebermarketing und gehen neue Wege im Recruiting. Ein Beispiel aus der Praxis. 

Von Rainer Spies

Wie kaum eine andere ist die Gesundheitsbranche gleich zweifach von der demografischen Entwicklung betroffen. Zum einen benötigt eine älter werdende Gesellschaft mehr ärztliche und pflegerische Leistungen. Zum anderen stehen aufgrund des Geburtenrückgangs weniger Fachkräfte zur Verfügung, die diese Leistungen erbringen könnten. Einer Studie von PricewaterhouseCoopers zu Folge fehlen bereits 2020 im Gesundheitswesen (ohne Altenpflege) 56.000 Ärzte sowie 140.000 Pflege- und andere nichtärztliche Kräfte.

Assistenzärzte und Fachkräfte in der Pflege sind Mangelware

Doch die Zukunft hat längst begonnen. Vor allem Assistenzarztstellen und Stellen für Fachkräfte in der Pflege können schon jetzt in den Krankenhäusern nur schwer besetzt werden. Bei Fach-, Ober- und Chefarztstellen ist die Lage hingegen noch vergleichsweise entspannt. Differenziert nach Fachrichtungen ist die Rekrutierung von Anästhesisten, Chirurgen und Ärzten für Innere Medizin am schwierigsten. Das geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche hervor.

„Wir spüren den Mangel“, bestätigt Lothar Bruhn, Personalleiter des Westküstenklinikums in Heide. Vor allem in der Inneren Medizin, Geriatrie und Neurologie blieben in der Klinik Stellen teilweise schon seit Jahren unbesetzt. „Früher haben wir 80 bis 100 Bewerbungen auf eine offene Arztstelle bekommen. Heute schalten wir eine Anzeige für 16.000 Euro und bekommen so gut wie keine Bewerbungen“, beklagt Bruhn. Auch in der Intensivpflege sei der Mangel an Fachkräften spürbar. Insgesamt kann das Westküstenklinikum durch die eigens betriebene Krankenpflegeschule den Bedarf an Nachwuchskräften in der Pflege allerdings nach wie vor gut abdecken.

Neue Wege im Recruiting

„Junge Ärzte arbeiten lieber in Kiel oder Hamburg. Heide ist als Standort nicht sehr attraktiv“, sagt Bruhn zu der Notwendigkeit, neue Wege im Recruiting zu gehen. Der Anteil ausländischer Ärzte beträgt im Westküstenklinikum schon jetzt 12 Prozent. Seit etwa einem Jahr vermittelt zudem eine Agentur in Polen gezielt Ärzte aus ganz Osteuropa nach Heide. „Wir machen damit gute Erfahrungen“, sagt Bruhn. Die Agentur stellt der Klinik geeignete Kandidaten vor. Entspricht ein Kandidat dem gewünschten Profil, absolviert er auf der Basis einer Absichtserklärung zunächst eine dreimonatige Sprachausbildung in Polen, bevor das Westküstenklinikum für ihn die Approbation in Deutschland beantragt und ihn einstellt. „Die Vermittlung kostet 18.000 Euro“, sagt Bruhn.

Auch im Personalmarketing setzt das Westküstenklinikum einige Hebel in Bewegung. „Junge Ärzte legen darauf sehr großen Wert“, sagt Bruhn zur Bedeutung, mit Weiterbildungsangeboten angehende Fachärzte zu überzeugen. Durch die Mitgliedschaft im „6K-Klinikverbund“, dem fünf weitere kommunale Häuser angehören, kann das Westküstenklinikum Assistenzärzten eine klinikübergreifende Weiterbildung zum Facharzt offerieren.

Weiterbildungsangebote

„Wir nehmen unsere Chefärzte in die Pflicht, die jungen Ärzte nicht im Tagesgeschäft zu verbrauchen“, unterstreicht Bruhn das Angebot. Im Rahmen eines Weiterbildungskontraktes vereinbaren Chefarzt, Geschäftsführung und Arzt, diesem alle für seine Facharztausbildung relevanten Inhalte innerhalb von fünf Jahren zu vermitteln. Geschieht dies nicht, erhält der Arzt einen Weiterbildungsscheck in Höhe von 2.000 Euro als Entschädigung. Daneben versucht das Klinikum in Heide, Studenten durch attraktive Bedingungen im Praktischen Jahr (PJ) früh zu binden.

„Es hat sich viel verändert“, sagt auch Jan Weyer, Geschäftsführer des DRK-Klinikums in Teterow (Mecklenburg-Vorpommern). Bereits Auszubildende in der Pflege fragten heute gezielt nach einzelnen Inhalten der Ausbildung und danach, wie ihre Einbindung in der Praxis konkret aussehe. Auch das Thema Work-Life-Balance spiele eine maßgebliche Rolle.

Work-Life-Balance

Diese Erwartungshaltung zieht sich durch alle Berufsgruppen. Darauf müssen und wollen wir uns einstellen. Es sind legitime Ansprüche“, sagt Weyer. Eine Reaktion der Klinik ist, die früher in Krankenhäusern üblichen Überstunden möglichst zu vermeiden. „Es gibt zwar schon mal personelle Engpässe, aber sowohl in der Pflege als auch im ärztlichen Dienst können wir Überstunden sehr schnell wieder ausgleichen“, sagt Weyer.

Im Arbeitgebermarketing betont das DRK-Klinikum seine positive Arbeitsplatzkultur und kann bei der Einlösung des Versprechens auf ein gutes Argument verweisen. 2012 wurde die Klinik von Great Place to Work zum zweibesten Arbeitgeber in der Gesundheitsbranche gekürt. „Aufgrund der Prämierung konnten wir jüngst zwei Anästhesisten abwerben“, berichtet Weyer. Unter einer positiven Arbeitsplatzkultur versteht der Geschäftsführer das Bemühen der Klinik, den Mitarbeitern einen entspannten Umgang miteinander zu ermöglichen, diese mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen, sie für ihre Arbeitsleistungen anzuerkennen und förderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Angebote für Mitarbeiter

In der Klinik in Teterow gibt es kein Bonussystem, das Konkurrenz unter den Mitarbeitern schüren könnte. Und durch Angebote wie Yoga, Rückenschulung und Sport solle den Mitarbeitern ermöglicht werden, sich gezielt zu entlasten, so Weyer. Dazu tragen auch Arbeitsplatzanalysen bei, um in der Folge etwa durch höhenverstellbare Hocker das Arbeiten im OP und durch bestimmte Techniken die Lagerung von Patienten zu erleichtern. „Viele verschiedene Maßnahmen leisten einen Beitrag zu unserer Arbeitsplatzkultur“, sagt Weyer.

Um sich von dieser ein Bild machen zu können, lädt die DRK-Klinik Bewerber zu Probearbeiten ein. „Alle Arbeitgeber sagen, sie gehörten zu den Besten. Wir bieten angehenden Mitarbeitern an, sich selbst davon zu überzeugen, indem sie ein paar Tage mit auf Station oder in den OP gehen“, sagt Weyer. Könne ein Bewerber erfolgreich zu diesem Schritt bewegt werden, sei die Chance der Klinik „sehr groß“, ihn am Ende auch einstellen zu dürfen.