Reise ins Krisengebiet: Nur mit der helfenden Hand des Arbeitgebers!

Reisen in Krisengebiete gehören für viele Geschäftsreisende und Entsandte zum Alltag, doch nicht alle Unternehmen sind darauf eingestellt.
Von Francoise Hauser
Bogotà, Kolumbien, 12 Uhr mittags. Vor einer belebten Kreuzung hält Hans R. an einer Ampel. Sekunden später wird die Autotür aufgerissen und der Geschäftsmann blickt in eine Pistolenmündung. Hektisch verlangt der Unbekannte Geld und Kreditkarten. Dann lässt er sich mit vorgehaltener Waffe ans andere Ende der Stadt fahren und zwingt sein Opfer schließlich in einer heruntergekommenen Gegend auszusteigen.
Geld, Karten und Auto sind weg, doch insgesamt ist der Zwischenfall glimpflich verlaufen. Dies nicht zuletzt, weil sich Rainer W. richtig verhalten hat: Er ist dem Angreifer ruhig begegnet und hat keine Gegenwehr geleistet.
Was sich wie der Anfang eines Abenteuerromans liest, ist verbreiteter als weithin angenommen. Immer öfter werden Produktionsstätten und andere Geschäftsbereiche in Regionen der Zweiten und Dritten Welt ausgelagert, führen Geschäftsreisen auch in Krisengebiete und in Länder in denen Kriminalität zum Alltag gehört.
Reisen in Krisengebiete: Der Arbeitgeber haftet
Mehr als 13 Millionen Geschäftsreisen ins außereuropäische Ausland gibt es pro Jahr nach Angaben des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR). 77 Prozent der Unternehmen verfügen laut dessen Umfrage "Chefsache Business Travel" jedoch über kein Risikomanagement.
Dabei gibt es durchaus gute Gründe, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Laut der gesetzlichen Fürsorgepflicht müssen Unternehmen ihre Angestellten vor Gefahren schützen, wenn sie im Ernstfall nicht haftbar gemacht werden wollen. Gerade Geschäftsreisende sind besonders gefährdet, denn sie gelten als lohnende Opfer, hinter denen Kriminelle eine finanzkräftige Maschinerie vermuten, die sich im Krisenfall um den Mitarbeiter bemüht.
Reisen in Krisengebiete: Option Geschäftsreisebüro
Eine eigene Abteilung für Travel-Risik-Management leisten sich jedoch meist nur große Konzerne. Für alle anderen bietet es sich an, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Zum einen sind dies die Geschäftsreisebüros wie FCM Travel Solutions, Carlson Wagonlit oder BCD Travel, die neben dem Kerngeschäft der Reiseplanung auch Travel-Risk Management anbieten.
Ihr Vorteil: Sie verfügen bereits über die Reisedaten. Diverse Tools bieten dazu die Möglichkeit, eventuelle Gefahrenherde an der Route zu identifizieren. Direkt aus dem System lassen sich Informationen meist an die Reisenden verschicken, um sie unterwegs auf potentielle Probleme hinzuweisen. Eine Notfallhotline gehört ebenfalls dazu.
Reisen in Krisengebiete: Hilfe rund um die Uhr
Unabhängig von der Frage, wo gebucht wurde, arbeiten so genannte Assistance-Dienstleister wie die Risikomanagementberatung Control Risks gemeinsam mit ihrem Joint-Venture-Partner International SOS. Auch hier steht das Assistance-Center rund um die Uhr zur Verfügung. und hilft beispielsweise
- beim Verlust der Reisedokumente,
- wenn ein Dolmetscher gebraucht wird,
- oder bei der Suche nach einem Krankenhaus mit westlichen Standards.
Auch Rücktransporte und lokaler Rechtsbeistand werden hier vermittelt.Parallel dazu gibt es auch hier grafische Darstellungen und Online-Informationstools, die auf den ersten Blick zeigen, in welchen Regionen Handlungsbedarf besteht und die allgemeine Sicherheitslage abbilden.
Reisen in Krisengebiete: Sicherheitsdienstleister
Rundum individuell wiederum sind Inhaber-geführte Sicherheitsdienstleister. Joachim Leis, Kriminalhauptkommissar a.D und Senior Consultant der MentalLeis Dienstleistungen GmbH beispielsweise bietet individuelle Sicherheitskonzepte und Beratung für zwölf Länder: "Wir kennen jeden Kontakt vor Ort persönlich, das erhöht die Sicherheit – und reduziert die Chance an Personal zu geraten, das nicht nur beim Sicherheitsdienstleister auf der Gehaltsliste steht". Gerade in Ländern wie Libyen oder Jemen ist das essentiell.
Für Joachim Leis spielt aber auch das Sicherheitstraining vor der Abreise eine große Rolle: "Wir trainieren mit den Mitarbeitern, nicht als potentielle Opfer wahrgenommen zu werden und wie man sich im Krisenfall richtig verhält".
Reisen in Krisengebiete: Individuelle Bedürfnisse wahren?
Egal ob über das Geschäftsreisebüro, bei einem Assistance-Anbieter oder einer Sicherheits-Dienstleister: Wie viel Service das entsendende Unternehmen wirklich braucht, wird in der Regel individuell festgelegt. Zu den klassischen Zusatzleistungen gehört der Abholservice am Flughafen: Übermüdete Reisende ohne Orts- und Sprachkenntnisse sind leichte Beute für falsche Taxifahrer.
Auch bei der Buchung des Hotels und eventuell auch des richtigen Zimmers sind die Dienstleister behilflich. "In Krisenregionen empfiehlt es sich nicht, zu nah an der Lobby zu wohnen, die im Fall des Falles am ehesten Ziel eines Bombenanschlags werden könnte" erläutert Joachim Leis: "Bei der Buchung sollte man darauf achten, nicht zu weit oben zu wohnen, um im Krisenfall über das Fenster flüchten zu können. Genauso wichtig ist es, die Hierarchie innerhalb des eigenen Unternehmens verschleiern. Wer sich als hohes Tier zu erkennen gibt, macht es potentiellen Entführern leichter".
Reisen in Krisengebiete: Gewusst wo
Essentiell ist es jedoch, den genauen Aufenthaltsort des Geschäftsreisenden zu kennen, um im Krisenfall zu wissen, ob er betroffen ist oder nicht. Die "Light"-Variante verfolgt den Weg des Reisenden anhand der Buchungen. Verlässlicher ist das Tracking per GPS. "Dazu braucht es allerdings ein GSM-Netz, also Telefonempfang. In abgelegenen Gebieten setzen wir daher auch Satellitentelefone ein", präzisiert Joachim Leis.
Control Risks wiederum arbeitet mit Rückmeldungen per SMS, in denen der Mitarbeiter seinen Aufenthaltsort bestätigt. Die lückenlose Überwachung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert, da sich die Mitarbeiter schnell überwacht fühlen. Eine solche Maßnahme muss im Vorfeld mit dem Mitarbeiter und dem Betriebsrat abgesprochen werden.
Je nach Reiseziel kann es sinnvoll sein, in der Absicherung noch einen Schritt weiter zu gehen. Seit einigen Jahren gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit, seine Mitarbeiter gegen Entführungen und die damit verbundenen Kosten zu versichern. Dass Versicherung und Versicherungsnehmer damit eher diskret umgehen ist verständlich: Schon um Kriminelle gar nicht erst auf den Gedanken zu bringen, eine Entführung könne lohnenswert sein. Oft sind nicht einmal die Mitarbeiter selbst darüber informiert, dass sie versichert sind.(Bild: Fotolia)