Führungstandems: Management in Doppel-Teilzeit

Wenn leitende Angestellte ihre Arbeitszeit drastisch reduzieren oder sich zwei Chefs ihre Aufgabe teilen, ruft das immer noch großes Erstaunen hervor. Doch solche Vorbehalte kann man schnell entkräften. Pioniere zeigen, worauf es ankommt.

Von Winfried Gertz

„Führung ist teilbar.“ Diana Baumhauer ist überzeugt, dass Leitungstandems in jedem Unternehmensbereich möglich sind. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Cathrin Vischer teilt sie sich die Position des Senior Vice President Human Resources bei der Holtzbrinck Publishing Group in Stuttgart.

Führungstandems: Management in Teilzeit

Manager als Teilzeitkraft – klingt irgendwie seltsam. Und ist auch kaum verbreitet: In Deutschland, so das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), entscheiden sich gerade fünf Prozent für Teilzeit und eine Wochenarbeitszeit von maximal 30 Stunden. Während Frauen mit 14,6 Prozent den Löwenanteil stellen, sind nur 1,2 Prozent der Männer „Teilzeitkapitäne“. Wer im Beruf nicht dauerpräsent ist, so das schier unausrottbare Selbstbild, gilt als wenig ambitioniert.

Davon lassen sich auch Andrea Morgan-Schönwetter und Birgit Schmidt nicht beirren. Gemeinsam leiten sie das IT-Recruiting der Deutschen Telekom – die eine am Standort Berlin, die andere in Leinfelden-Echterdingen. „Wir werden oft eingeladen, um zu erzählen, wie wir unsere Aufgabe teilen und worauf besonders zu achten ist“, sagt Morgan- Schönwetter. Neugierig seien vor allem HR Business Partner. „Sie wollen Führungskräfte motivieren, es uns gleichzutun.“

Führungstandems: Manager im Duo sind bald keine Ausnahme mehr

Im einstigen Staatsbetrieb sollen die beiden Chefinnen keine Ausnahme sein. Deshalb wird in einer Studie getestet, in welchem Maße Führungstandems, das Home Office oder auch Sabbaticals ein Umdenken in den Köpfen leitender Angestellte bewirken könnten. Vor allem Familien sollen von der „Kulturänderung“ profitieren, betont Telekom-Sprecher Peter Kespohl. Auch die „Herren der Schöpfung“ begraben allmählich ihre Vorurteile. Väter, die sich bei der Telekom vernetzen, um Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance zu diskutieren, haben die sogenannte „Blackberry Policy“ ausgetüftelt. Abends schalten sie das berufliche Handy aus, um sich auf die Familie zu konzentrieren.

Solche Initiativen rufen Nachahmer auf den Plan, so auch die Commerzbank. Nach Angaben des Unternehmens arbeiten derzeit 5,4 Prozent der Führungskräfte in Teilzeit. Einige teilen sich sogar ihre Aufgaben: „Top-Sharing“ heißt die Variante, bei der sich die beteiligten Manager oft per Videokonferenz abstimmen. Beim „Vertretermodell für Führungskräfte“, einer weiteren Variante, arbeitet die Führungskraft in Teilzeit und ernennt einen Vertreter als fachlichen Ansprechpartner für fest definierte Themenbereiche. Mit seiner Teilzeitoffensive will das Frankfurter Kreditinstitut Mitarbeiter auf allen Ebenen erleichtern, Familien zu gründen, Angehörige zu pflegen, ein Haus zu bauen oder auf Weltreise zu gehen, heißt es.

Führungstandems: Job-Sharing im Management

Von einer ähnlich modernen Philosophie profitiert auch das Tandem bei Holtzbrinck Publishing. „Dass wir als Führungsduo den Personalbereich leiten“, sagt Vischer, „ist nicht zuletzt Ausdruck der familienfreundlichen Strategie des Unternehmens, die Arbeitszeit von Mitarbeitern und Führungskräften mit den Anforderungen verschiedener Lebensphasen in Einklang zu bringen.“ Offenkundig flauen auch Vorurteile im Kreise der Führungskräfte ab. Baumhauer und Vischer waren bereits zuvor in leitender HR-Funktion tätig. „Daher mussten wir unsere Kompetenzen nicht wie eine von außen gewonnene Führungskraft erst unter Beweis stellen“, betont Vischer.

Spannend ist, wie sich die Führungsduos selbst organisieren. Laut Baumhauer funktioniert das ganz gut. Grund seien klare Regeln, die man für die Leitungsaufgabe gemeinsam erarbeitet und sich auferlegt habe. Dazu zähle auch der Anspruch: „One face to the customer“. Hat ein Mitarbeiter eine Frage, würde er nicht zur Kollegin geschickt, weil man stets über den gleichen Wissensstand verfüge. Steht ein Termin in der Chefetage an, hätten sich die beiden Managerinnen zuvor intensiv abgestimmt. „Als doppeltes Lottchen treten wir allerdings nicht auf“, meint Baumhauer augenzwinkernd.

Führungstandems: Austausch ist das A und O

Laut Telekom-Managerin Schmidt funktionieren Führungstandems dann gut, wenn die Beteiligten persönlich sehr reflektiert seien, die eigenen Schwächen und Stärken und die des Kollegen gut kennen und gemeinsam daran arbeiten. „Wir geben uns viel Echtzeitfeedback“, sagt sie. „Das ist besser für die persönliche Entwicklung, als wenn man als Führungskraft allein Entscheidungen trifft und auch allein die Konsequenzen tragen muss.“

Und was halten die Beschäftigten von den Führungstandems? Bei der Telekom hätten viele wohl nicht erwartet, wie gut das funktioniert, sagt Morgan-Schönwetter. „Aus Sicht der Mitarbeiter ist es ein großer Vorteil, dass immer eine Führungskraft greifbar ist.“ Auch bei Holtzbrinck Publishing zeigten sich Mitarbeiter zunächst zurückhaltend. Inzwischen kämen immer mehr positive Rückmeldungen, wie vertrauensvoll die Zusammenarbeit sei oder wie konstruktiv das Feedback ausfalle, erläutert Vischer.

Führungstandems: Zugunsten einer besseren Work Life Balance

Halten wir fest: Führungsduos erweisen sich deshalb als zukunftsträchtiges Modell, weil sie besonders den Vorstellungen vieler Frauen und auch immer mehr Männern in der Familiengründungsphase entgegenkommen. „Eltern“ sagt Telekom-Managerin Schmidt, „stehen einfach unter einem sehr hohen Druck, Arbeit und Privatleben zu vereinbaren.“

Freilich fehlt es hier und da noch an der nötigen Anerkennung. Als Resultat des „War for talents“ müssten Unternehmen deshalb als Arbeitgeber zu deutlich größeren Zugeständnissen bereit sein, fordert Baumhauer. Wie ihre Kollegin kann sie sich kaum vorstellen, irgendwann wieder allein verantwortlich zu sein. Auch den Zugewinn an Flexibilität wollen sie nicht missen: Denn im Urlaub oder bei Krankheit haben beide stets das beruhigende Gefühl, bei der Kollegin sei alles in guten Händen. Offenkundig kommt auch der Spaß nicht zu kurz. „Man kann über Dinge lachen, über die man sich als allein verantwortliche Führungskraft nie so unbeschwert austauschen könnte“, so Baumhauer.