Mitarbeiterbefragung: Führung unter Verdacht

Die Belegschaft regelmäßig um Feedback zu bitten, eröffnet wertvollen Einblick in die Organisation. Erfolgreich sind Mitabeiterbefragungen, wenn sie als Hebel zur Verbesserung der Unternehmensleistung zum Tragen kommen. Führungskräfte rücken dabei ins Scheinwerferlicht.

Von Winfried Gertz

Wie ist es um die Stimmung in der Belegschaft bestellt? Wie kommen die in der Chefetage getroffenen Entscheidungen bei den Beschäftigten an? Welche Ideen haben sie zur Verbesserung der Unternehmensleistung? An konkreten Anlässen, Mitarbeiter zu Wort kommen zu lassen, besteht kein Mangel.

Mitarbeiterbefragung: Telekom hakt nach

Die Deutsche Telekom etwa führt regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durch. Jüngst erfuhr sie in einer sogenannten Pulsbefragung, dass drei Viertel ihrer Mitarbeiter stolz sind, für den einstigen Staatsbetrieb tätig zu sein. Zufrieden sind mit ihrem Arbeitgeber etwa 70 Prozent, ebenso viele Beschäftigte bewerten ihre Work Life Balance positiv.

Oberflächlich betrachtet sind derlei Resultate überaus wünschenswert. Meist tendieren die einzelnen Ergebnisse deutlich ins Positive, weshalb ein unvoreingenommener Beobachter nur zu der Einschätzung kommen könnte: In diesem Betrieb ziehen Management, Führungskräfte und Beschäftigte an einem Strang. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Denn bei genauerem Hinsehen gibt es hier und da massive Kritik am Klima in Teams und Abteilungen. Wie Führungskräfte agieren, ist manchem Mitarbeiter ein Dorn im Auge.

Mitarbeiterbefragung: Was sagt der Employee Engagement Index aus?

Auch bei der Allianz rücken die Führungskräfte in den Blickpunkt. Aus den inzwischen jährlich durchgeführten Befragungen ergibt sich der sogenannte Employee Engagement Index. Er illustriert ziemlich genau, wie erfolgreich Vorgesetzte ihre Mitarbeiter zu mehr Leistung und Engagement anspornen und dabei unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.

Nach Angaben von Personalvorstand Wolfgang Brezina ist die Zukunftsfähigkeit der Allianz dort, wo viele Akademiker tätig sind, von besonders hoher Relevanz. Wo hingegen kaum Akademiker anzutreffen sind, zähle vor allem Anerkennung und Fairness. „Für junge Mitarbeiter haben Entwicklungsmöglichkeiten einen herausragenden Stellenwert“, betont Brezina.

Mitarbeiterbefragung: Ziel ist die Verbesserung der Mitarbeiterperformance

Wie das Beispiel zeigt, geht es nicht um bloße Nabelschau. Mitarbeiterbefragungen werden vielmehr als Instrument zur Verbesserung der Performance gesehen. Dabei nehmen Führungskräfte eine Schlüsselrolle ein: Wie sie beschlossene Strategien und Veränderungen moderieren und durchsetzen, drückt sich unmittelbar in den Leistungswerten aus. Im Zuge der Digitalisierung wird dieser Ansatz verstärkt. Viele Unternehmen versprechen sich von „Big Data“ einen enormen Schub. Deshalb nehmen sie externe Dienstleister mit ins Boot.

Mit dabei ist auch der Kölner Dienstleister YouGov. Er beobachtet, dass Unternehmen nun verstärkt die Substanz ihrer Datensilos destillieren und diese Erkenntnisse mit den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragungen korrelieren. „Um das technisch umzusetzen, ist viel Fleißarbeit nötig“, sagt Daniel Hahmann von YouGov. Wer es tatsächlich auf die Essenz des Datenmaterials abgesehen habe, betont Andreas Meck, Geschäftsführer des Dienstleisters Perbility in Bamberg, handle sich aber ernste Konsequenzen ein. „Je differenzierter wir in die Tiefe gehen, desto häufiger lösen wir Debatten aus, die gewiss nicht Jedermanns Geschmack sind“, sagt der Psychologe.

Ersetzt die Pulsbefragung bald die Mitarbeiterbefragung?

Um möglichst zeitnah Feedback aus der Belegschaft zu erhalten, wenden sich immer mehr Unternehmen häufigen und kurz getakteten Pulsbefragungen zu. „Mitarbeiterbefragungen stehen inzwischen unter einem großen Erfolgs- und damit Ergebnisdruck. Man braucht stärker als noch vor Jahren eine Antwort darauf, ob sich die letzte Befragung gelohnt hat“, sagt Doris Förtschbeck von Information Factory, einem Dienstleister in Nürnberg.

Anlässe für Pulsbefragungen können demnach kritische Entwicklungen sein, die sich aus den im Turnus von zwei oder drei Jahren erhobenen Vollbefragungen ergeben. Bewerten Mitarbeiter zum Beispiel das strategische Thema Veränderungs- und Innovationskultur negativ und die Korrelation mit Patentanmeldungen weist akuten Handlungsbedarf auf, eröffnen dazwischen geschobene Pulsbefragungen den Blick auf die Wirksamkeit von eingeleiteten Maßnahmen.

Mitarbeiterbefragung: Schwachstellen im Unternehmen ausmerzen

Angesprochen auf das Kernproblem von Mitarbeiterbefragungen, stimmen Experten in einem Punkt überein: Mitarbeiter zu befragen, lohnt allein dann, wenn man auch die richtigen Schlüsse zieht und Schwachstellen gezielt ausmerzt. Was geschieht nach der Befragung und wie kommt Momentum in den Folgeprozess? YouGov stellt Unternehmen ein Tool zur Verfügung, um Fortschritte zu dokumentieren. „Zeitnah zeigt es an, welche Maßnahmen ergriffen werden, in welchem Stadium sie sich befinden oder ob sie bereits abgeschlossen sind“, erläutert Hahmann.

Was gern verschwiegen wird: Mitarbeiterbefragungen liefern substanziellen Einblick in die Führung. Allein die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen übt Druck auf Führungskräfte aus, zumal Mitarbeitern die Ergebnisse nicht vorenthalten werden. Bei der Allianz wird nun erstmals einzelnen Teams Gelegenheit gegeben, die Kooperation in der Gruppe zwischen Führungskraft und Mitarbeitern kritisch zu beleuchten. Personalvorstand Brezina betont, der Vorstand hielte sich bewusst heraus und gebe auch keine Vorgaben. „Wir stellen lediglich eine Plattform bereit, um sicherzustellen, dass miteinander gesprochen wird.“

Mitarbeiterbefragungen: Was geschieht mit den Ergebnissen?

Damit sich wirklich etwas bewegt, muss auch durchgegriffen werden, fordern Experten. Sonst liefen Unternehmen Gefahr, dass Beschäftigte das Instrument der Mitarbeiterbefragung nicht mehr ernst nehmen und die Beteiligungsquoten drastisch sinken. Eskalationsstufen können von der gezielten Personalentwicklung bis zur Versetzung von Führungskräften reichen. Wie ernsthaft Mitarbeiterbefragungen betrieben werden, steht und fällt also mit dem Engagement und Standing des Personalmanagements.

„Personaler sollten mit Kompetenz, Commitment und schlüssigen Argumenten überzeugen und sogar große Projekte managen können“, fordert Gerhard Bruns, Geschäftsführer des Münchner Geva-Instituts. Selbstbewusst sollten sie bei der Auswahl des Dienstleisters darauf achten, ob sie dem Partner auch zutrauen, sich im „Minenfeld Mitarbeiterbefragung“ zu behaupten.

Wie sehr Personalabteilungen sich für das Thema verwenden, unterstreichen erste Projekte, in denen HR Konzerntöchtern oder anderen Organisationseinheiten die Mitarbeiterbefragung als fertig ausgearbeitete Dienstleistung anbietet. Neben günstigen Konditionen sowie einer individuellen Handhabung der Befragung gilt auch als Vorteil, nicht auf internes Benchmarking verzichten zu müssen. Wie es heißt, wird auf diese Weise auch die Rücklaufquote erhöht.