Coronavirus: Was Arbeitgeber:innen bedenken sollten

Lächelnde Frau im Büro

Seit Corona in Deutschland angekommen ist, machen sich Arbeitgeber:innen hierzulande Gedanken über Prävention und Risikominimierung, denn eine Gefahr besteht auch am Arbeitsplatz oder auf Dienstreisen. Was Unternehmen dabei beachten sollten, erläutert Dr. Kerstin Neighbour, Expertin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Hogan Lovells in Frankfurt.*

Welche generellen Pflichten treffen Arbeitgeber:innen im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz?

Die Arbeitgeber:innen trifft eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern. Sie sollten ihre Beschäftigten daher über bestehende Gesundheitsrisiken sowie entsprechende Maßnahmen und Verhaltensregeln zur Prävention informieren. Bei Kenntnis von Gesundheitsrisiken kann der/die Arbeitgeber:in zudem dazu verpflichtet sein, bestimmte Schutzkleidung wie einen Mundschutz zur Verfügung zu stellen. Ähnliches gilt auch für das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln, etwa in den Toilettenräumen oder an den Zugängen zum Betriebsgelände. Das heißt aber nicht, dass jedes Unternehmen nun umfangreiche Maßnahmen ergreifen müsste. Der Umfang dieser Pflichten hängt dabei von der Art des Betriebs ab. Ausschlaggebende Faktoren sind unter anderem zum Beispiel die Größe des Betriebs und Kundenkontakte. Erfüllt der Arbeitgeber seine Pflichten nicht, kann er sich den Arbeitnehmenden gegenüber unter Umständen schadensersatzpflichtig machen.

Dürfen Arbeitgeber:innen weiterhin Dienstreisen anordnen?

Grundsätzlich ist die Anordnung von Dienstreisen weiterhin möglich. Ist ein:e Arbeitnehmer:in vertraglich dazu verpflichtet, Dienstreisen zu unternehmen, so kann der Arbeitgeber – im Rahmen seines Weisungsrechts – auch eine Reise in ein Risikogebiet anordnen. Da der Arbeitgeber sein Weisungsrecht jedoch nach billigem Ermessen auszuüben hat, muss er bei seiner Entscheidung auch die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund wird die Anordnung einer Dienstreise in ein Gebiet, für welches das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgegeben hat, nicht mehr billigem Ermessen entsprechen. Der/Die Arbeitnehmende kann die Dienstreise in so einem Fall verweigern. Neben der aktuellen Lage vor Ort sind auch die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Zählt der Arbeitnehmer bspw. zu einer Risikogruppe, etwa wegen einer Vorerkrankung, kann die Anordnung einer Dienstreise auch deshalb unzumutbar sein.

Darf ein:e Arbeitnehmer:in die Arbeit verweigern, weil er(sie eine Ansteckung im Betrieb oder auf Reisen befürchtet?

Nein, der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin darf – sofern er/sie selbst gesund ist – die Arbeit nicht aufgrund der bloßen Befürchtung einer erhöhten Ansteckungsgefahr verweigern. Bleibt er/sie dennoch der Arbeit fern, kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen und eine Abmahnung oder Kündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer darf die Arbeit erst dann verweigern, wenn für ihn die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar ist. Diese Grenze wird jedoch nicht allzu schnell überschritten sein, insbesondere wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht genügt und rechtzeitig erforderliche Maßnahmen des Gesundheitsschutzes einleitet und umsetzt.

Was müssen Arbeitgeber:innen beachten, wenn die Annahme besteht, dass von einem Arbeitnehmer ein Gesundheitsrisiko für andere ausgeht?

Wenn Grund zu der Annahme besteht, dass von einem Arbeitnehmer ein Gesundheitsrisiko für andere ausgeht, etwa weil dieser sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig freistellen oder ihm den Zugang zum Betriebsgelände untersagen. Bei einer einseitigen Freistellung behält der Arbeitnehmer allerdings seinen Vergütungsanspruch.

Was ist im Falle eines konkreten Verdachts oder einer Infektion mit dem Coronavirus zu beachten?

Besteht ein konkreter Verdacht oder gar die Gewissheit, dass sich ein:e Mitarbeiter:in des Betriebs mit dem Coronavirus infiziert hat, sollte der Arbeitgeber eng mit dem zuständigen Gesundheitsamt zusammenarbeiten. Zudem trifft den Arbeitgeber in einer solchen Situation eine gesteigerte Schutzpflicht gegenüber der restlichen Belegschaft. Der Arbeitgeber kann diejenigen Arbeitnehmer, die Symptome einer Infektionskrankheit zeigen, zum Schutz der restlichen Arbeitnehmer nach Hause schicken. Dies betrifft nicht nur Anzeichen für das Coronavirus, sondern gilt auch für andere Erkrankungen, wie etwa eine Grippe.

Empfehlungen für Arbeitgeber:innen:

  • Analysieren Sie zunächst, inwiefern innerhalb Ihres Unternehmens überhaupt ein (erhöhtes) Gesundheitsrisiko bestehen könnte.
  • Überprüfen Sie bestehende Hygienestandards und passen Sie diese wenn notwendig an. Es empfiehlt sich, Bereiche, die von mehreren Arbeitnehmern genutzt werden (z.B. Kaffeeküchen, Toiletten, Großraumbüros und Desk-Sharing-Arbeitsplätze), häufiger zu reinigen und zu desinfizieren.
  • Ferner bietet es sich an, den Arbeitnehmern Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen (z.B. Handdesinfektionsmittel in den Toilettenräumen oder an den Zugängen zum Betriebsgelände, Desinfektionstücher zur Reinigung von Tastaturen, Schreibtischoberflächen etc.).
  • Informieren Sie Ihre Arbeitnehmer frühzeitig über ein bestehendes Gesundheitsrisiko sowie über Präventionsmaßnahmen und Verhaltensregeln (insbesondere Hygieneregeln).
  • Wir empfehlen, eine Kontaktperson zu benennen, an die sich die Arbeitnehmer mit etwaigen Fragen wenden können.
  • Vermeiden Sie das Zusammentreffen größerer Personengruppen im Betrieb, sobald ein Infektionsverdacht bzw. ein erhöhtes Risiko besteht. So könnten physische Meetings etwa als Telefonkonferenz abgehalten und “Social Events” abgesagt oder verschoben werden.
  • Entwickeln Sie – in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, sofern vorhanden – ein gemeinsames Schutzkonzept.