Gesprächsphasen im Jobinterview

In einem Jobinterview durchlaufen Arbeitgeber und Bewerber unterschiedliche Gesprächsphasen. Expertin Doris Brenner gibt Tipps für den optimalen Ablauf.

In den meisten Unternehmen gibt es bestimmte Leitbilder, die das Verhalten der Führungskräfte und den Umgang miteinander zum Inhalt haben. Diese Mischung aus persönlichem Stil und firmenseitigem Leitbild bilden auch die Grundlage für das Einstellinterview. Demnach ist für den Bewerber die Art und Weise, wie das Einstellgespräch firmenseitig geführt wird, bereits ein wichtiger Hinweis auf dem Umgang miteinander im Unternehmen.

Lassen Sie sich bei aller Konformität kein stereotypes Schema für ein Vorstellungsgespräch überstülpen! Hier sollte durchaus eine gewisse Offenheit herrschen, nicht zuletzt, um zu vermeiden, dass das gesamte Gesprächsprozedere auf den Kandidaten den Eindruck einer “Standardabwicklung” macht. Dennoch haben sich in der Praxis einige Gesprächsphasen herauskristallisiert, die nahezu in jedem Vorstellungsgespräch wiederzufinden sind.

Ein Interview geht in Abhängigkeit der Position, der Anzahl der vorgesehenen Gespräche und der unternehmensseitig beteiligten Personen in der Regel zwischen 45 und 90 Minuten. Wenn Sie die Notwendigkeit verspüren, sich wesentlich ausführlicher mit dem Kandidaten zu unterhalten, so scheuen Sie sich nicht, von diesem Regelwert abzuweichen. Sie müssen schließlich nachher mit dem Mitarbeiter, für den Sie sich entschieden haben, auch klarkommen. Da ist etwas “Extra-Einsatz” gut investiert.

Die folgenden Abschnitte informieren über die wesentlichen Phasen. Der angegebene Zeitbedarf stellt nur eine Orientierungsgröße dar. Es hängt sehr stark von der jeweiligen Position und dem Bewerber ab, ob es hier zu Abweichungen kommen kann.

a)  Warming-up
Dauer: ca. 5 Minuten

Bei den meisten Menschen entscheidet sich in nur wenigen Sekunden, ob Sympathie oder Abneigung den ersten Eindruck prägt. Und wie heiß es so schön: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Das gilt wohlgemerkt gegenseitig. Das Fatale an der Sache ist: Der erste Eindruck wird den gesamten Verlauf des weiteren Vorstellungsgespräches beeinflussen.

Das heißt, Sie werden all das, was der Bewerber sagt oder tut, entweder mit einer “rosa Brille” betrachten oder eben mit der “grauen Brille” wahrnehmen, je nach dem, ob Sie ihm wohl gesonnen sind oder nicht. Natürlich können und sollen Sie sich um Objektivität bemühen, die Gesprächsführung mit einem Kollegen zusammen kann hierzu auch beitragen. Ganz nach objektiven Kriterien wird ein Vorstellungsgespräch jedoch nie ablaufen können.

Wodurch wird der erste Eindruck eigentlich beeinflusst?

  • Erscheinungsbild
  • Gesichtsausdruck
  • Auftreten
  • Stimme
  • Händedruck
  • Blickkontakt

Das sich anschließende “Warming-up” dient dazu, sich gegenseitig ein wenig näher zu “beschnuppern”. Da die meisten Bewerber in den ersten Minuten aufgeregt sind – das ist auch nach mehreren Jahren Berufserfahrung noch ganz natürlich, denn schließlich handelt es sich bei einem Vorstellungsgespräch um eine Ausnahmesituation -, sollten Sie als Interviewer versuchen, die Gesprächsatmosphäre aufzulockern.

Dies kann dadurch geschehen, dass Sie zunächst danach fragen, wie die Anreise war, oder ein belangloses Thema wie z. B. das Wetter ansprechen. Ziel des Gespräches ist es, ein realistisches Bild des Bewerbers zu erhalten. Je entspannter die Gesprächsatmosphäre ist, umso offener und natürlicher wird sich auch der Bewerber geben. Hierzu gehört auch, dem Bewerber etwas zu trinken anzubieten und das Gespräch nicht frontal am Schreibtisch, sondern an einem separaten Besprechungstisch oder in einer Sitzecke zu führen.


b)  Vorstellung des Bewerbers
Dauer: ca. 5-10 Minuten

“Erzählen Sie uns doch etwas über sich!” Anhand der Beantwortung dieser so banal und offen formulierten Frage können Sie bereits viel über den Bewerber erfahren.

Die Selbstpräsentation des Bewerbers können Sie auch durch gezieltes Fragen auf bestimmte Punkte in seinem Werdegang lenken. Sofern der Bewerber nicht von alleine darauf kommt, seine Qualifikation für die zu besetzende Stelle herauszuarbeiten, sollten Sie ihn diesbezüglich direkt ansprechen.

So können Sie feststellen, ob er im Vorfeld einen Abgleich seines Profils mit den ihm bekannten Anforderungskriterien der Stelle vorgenommen und sich über das Unternehmen informiert hat. Dies spiegelt auch seine Motivation im Hinblick auf die Bewerbung wider. Und schließlich bietet die Selbstpräsentation des Kandidaten Ihnen auch zahlreiche Ansatzpunkte, auf die Sie im weiteren Verlauf des Gespräches näher eingehen können.

Darauf sollten Sie bei der Selbstpräsentation besonders achten:

  • Beschreibt der Bewerber bisherige Erfahrungen und wichtige Qualifikationen in Bezug auf die angestrebte Stelle?
  • Gibt es in seinen Ausführungen einen roten Faden?
  • Zeigt der Bewerber auf, inwiefern die angestrebte Position eine logische berufliche Weiterentwicklung für ihn ist?
  • Liefert der Kandidat Gründe, warum Sie ihn einstellen sollten?


c)  Präsentation des Unternehmens
Dauer: ca. 10-15 Minuten

Das Vorstellungsgespräch sollte kein Verhör, sondern ein partnerschaftliches Geben und Nehmen zwischen Bewerber und Unternehmensvertreter darstellen. Schaffen Sie also keine Verhörsituation, sondern geben Sie auch dem Bewerber alle wichtigen Informationen über das Unternehmen und sein mögliches zukünftiges Arbeitsgebiet.

Achten Sie darauf, ob der Bewerber Ihren Ausführungen einfach nur zuhört, oder qualifizierte Fragen hierzu stellt. Sehr positiv zu bewerten ist, wenn sich der Bewerber bereits im Vorfeld, sei es über den Geschäftsbericht, Firmenbroschüren oder einem Besuch der Homepage des Unternehmens wesentliche Informationen angelesen hat.

Dies ermöglicht Ihnen, nicht “bei Adam und Eva” anfangen zu müssen, sondern auf einem höheren Niveau einsteigen zu können. Im Rahmen der Unternehmenspräsentation gilt es auch die zu besetzende Position näher zu beschreiben. Für den Bewerber ist es wichtig, die Stellenanforderungen und firmenseitigen Erwartungen sehr detailliert zu kennen, um diese mit seinen eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten abgleichen zu können.

Und noch ein Hinweis: Bewerber wissen es sehr zu schätzen, wenn Sie nicht nur als Unternehmensvertreter, sondern auch aus dem Blickwinkel eines Mitarbeiters berichten. Beschreiben Sie, was Ihnen gut an dem Unternehmen gefällt, wie Sie das Betriebsklima empfinden und was Sie hier hält. Je mehr Sie bereit sind, sich zu öffnen und persönliche Eindrücke preiszugeben, umso eher ist auch der Bewerber gewillt, dies zu tun. Wie gesagt, alles ist ein Geben und Nehmen.

Tipp!
Indem Sie zunächst den Bewerber fragen, was er bereits über das Unternehmen weiß, können Sie gezielt auf seinem Wissensniveau einsteigen. Gerade für gut vorbereitete Bewerber ist es oft frustrierend, wenn Ihnen Basics ausführlich erzählt werden, die sie bereits kennen.
d)  Vertiefungsphase
Dauer: ca. 15 – 20 Minuten

 

Jetzt geht es in die Tiefe. Die Vertiefungsphase soll dazu dienen, offene Punkte und Unklarheiten anzusprechen sowie detaillierte Informationen zum Qualifikationsprofil des Bewerbers zu sammeln. Je zielgerichteter und intensiver der Informationsaustausch in dieser Phase erfolgt, umso fundierter kann eine Auswahlentscheidung auf der Grundlage des Interviews getroffen werden. Aus Sicht des Unternehmens sollten Sie versuchen, einen möglichst hohen Redeanteil des Bewerbers (circa 70 Prozent) anzustreben.

Mögliche Fragestellungen sind:

  • Gründe für Berufswahl oder Berufswechsel
  • Motive für die Bewerbung
  • Fachliche Schwerpunkte
  • Erläuterung von Schwachstellen/Unstimmigkeiten in den Bewerbungsunterlagen
  • Methodisches Vorgehen bei der Problembewältigung
  • Persönliche Einstellung zu Arbeit, Erfolg, Leistung
  • Mobilität
  • Stärken und Schwächen
  • Private Situation und Freizeitaktivitäten
  • Zukunftspläne, Weiterbildungswille
  • Gehaltswunsch
  • Verfügbarkeit Viele Einstellinterviews beschränken sich bei der Beurteilung von Qualifikationen auf ein nettes Plaudern, das ziemlich an der Oberfläche bleibt. Ziel des Einstellinterviews sollte es sein, dass Sie nicht nur die Vermutung, sondern handfeste Belege bekommen, dass der Bewerber bestimmte Qualifikationen besitzt und den gestellten Anforderungen gewachsen ist. Die Ursache für so manche Fehleinstellung lag in den unterschiedlichen Vorstellungen und Bewertungen, die Sie als Unternehmensvertreter und der Bewerber haben.

e)  Ergänzende Gesprächselemente
Dauer: ca. 0-20 Minuten

  • Was sind für Sie gute PC-Kenntnisse?
  • Was verstehen Sie unter einem souveränen, serviceorientierten Kundenumgang am Telefon?
  • Welches Niveau haben gute Englischkenntnisse für Sie?
  • Was verstehen Sie unter professionellen Präsentationsfähigkeiten?

Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie es tatsächlich um die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers aussieht, sollten Sie die Probe aufs Exempel machen.

Es muss nicht immer gleich ein komplettes Assessment Center sein, um einem Bewerber auf Herz und Nieren zu prüfen oder ganz einfach unterschiedliche Vorstellungen oder Bewertungsmaßstäbe abgleichen zu können. Auch das Einstellinterview bietet durchaus die Möglichkeit, kleine Übungen, Fallstudien oder Arbeitsproben einzubauen und damit “live” zu sehen, wie der Bewerber agiert. Diese Elemente besitzen nicht nur einen hohen Aussagewert, sie können das Gespräch auch auflockern und damit bereichern.

Wichtig ist, dass Sie dem Bewerber vermitteln, dass es letztendlich im Interesse beider Seiten ist, dass sich die gegenseitigen Erwartungen und Fähigkeiten decken.

(Doris Brenner, September 2010 / Bild: TOM, Fotolia.com)

 

 

 

 

Doris Brenner
ist freie Beraterin mit den Schwerpunkten Personalentwicklung und Karriereberatung. Sie verfügt über Erfahrung in der Industrie sowohl in Führungspositionen als auch im strategischen und operativen Personalwesen. Ihre Veröffentlichungen sind in einer Gesamtauflage über 600.000 Exemplaren erschienen.
www.karriereabc.de/ 

 



Monster-Buchtipp

Punktlandung Mitarbeitersuche:
Zielsicher ansprechen, auswählen und ansprechen.
Luchterhand, 39 Euro.