Rekrutierung: Stolpersteine vermeiden

In Zeiten des Fachkräftemangels ist das Recruiting neuer Mitarbeiter für viele Unternehmen eine der wichtigsten Herausforderungen. Bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses gibt es einige rechtliche Hürden zu überwinden. Vorsicht ist geboten bei der Ausschreibung von Stellen, bei Bewerbungsgesprächen und im Einstellungsprozess.
Ausschreibung der Stelle
Am Anfang des Rekrutierungsprozesses steht in der Regel die Ausschreibung der zu besetzenden Stelle. Dem Arbeitgeber steht es aber nicht immer frei, wo und wie er einen Arbeitsplatz ausschreibt.
Vielmehr kann sich aus § 93 BetrVG eine Pflicht zur innerbetrieblichen Ausschreibung ergeben, wenn der Betriebsrat eine solche verlangt. Zweck dieser Regelung ist es, bei neu geschaffenen oder frei gewordenen Stellen auch den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Darüber hinaus dient die Ausschreibung im Betrieb auch der Transparenz der Entscheidungsvorgänge bei Einstellungen oder Versetzungen. Aus der Pflicht zur innerbetrieblichen Ausschreibung ergibt sich aber nicht automatisch die Pflicht, interne Bewerber externen vorzuziehen.
Schreibt der Arbeitgeber die Stelle entgegen des Verlangens des Betriebsrats nicht innerbetrieblich aus, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu der geplanten Einstellung oder Versetzung verweigern.
Eine innerbetriebliche Ausschreibung kann formlos erfolgen, z. B. am schwarzen Brett oder im Intranet. In der Ausgestaltung der Ausschreibung ist der Arbeitgeber frei, ohne dass der Betriebsrat zu beteiligen wäre.
Auch in zeitlicher Hinsicht gibt es keine gesetzlichen oder mitbestimmungspflichtigen Regeln. Verlangt wird, dass die Ausschreibung für einen ausreichend langen Zeitraum erfolgen muss, so dass die Mitarbeiter eine realistische Chance haben, von der Ausschreibung Kenntnis zu erlangen und sich ggf. zu bewerben. Eine Zeitspanne von zwei Wochen wir dabei in der Regel als angemessen angesehen.
Teilzeitarbeitsplätze
Eine gewisse inhaltliche Vorgabe für Ausschreibungen beinhaltet § 7 Abs. 1 TzBfG. Danach muss eine freie Stelle auch als Teilzeitarbeitsplatz ausgeschrieben werden, wenn sich diese hierfür eignet. Auch hier gilt: Wenn die Stelle in Teilzeit besetzt werden könnte, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Stelle tatsächlich mit einer Teilzeitkraft zu besetzen.
Auswahlrichtlinien
Große Unternehmen sind häufig daran interessiert, einheitliche Vorgaben hinsichtlich der Auswahl neuer oder zu versetzender Mitarbeiter festzulegen. Sollen „Auswahlrichtlinien“ verabschiedet werden, steht dem Betriebsrat gemäß § 95 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu; in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann er sogar die Einführung solcher Richtlinien verlangen.
In Auswahlrichtlinien sind häufig die Bewertung und Gewichtung von Kriterien der fachlichen und persönlichen Eignung sowie soziale Gesichtspunkte enthalten. Auswahlrichtlinien können z. B. auch vorsehen, dass interne Bewerber Vorrang vor externen haben. Mitbestimmte Auswahlrichtlinien sind bindend, so dass der Arbeitgeber eine Personalentscheidung entsprechend treffen muss.
Bewerbungsgespräch
Ein „Klassiker“ bei Bewerbungsgesprächen ist das Thema der Zulässigkeit bestimmter Fragen. Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber nur Fragen stellen darf, an deren wahrheitsgemäßen Beantwortung ein berechtigtes und schützenswertes Interesse besteht – mit anderen Worten: soweit es für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung ist.
- So darf beispielsweise nach einschlägigen Vorstrafen nur dann gefragt werden, wenn der vorgesehene Arbeitsplatz eine entsprechende Vertrauensposition darstellt.
- Soll ein Mitarbeiter z. B. für die Kasse zuständig sein, ist die Frage nach Vorstrafen im vermögensrechtlichen Bereich (z. B. Unterschlagung) zulässig.
- Fragen zu beruflichen Qualifikationen und Kenntnissen muss der Bewerber in der Regel wahrheitsgemäß beantworten.
Stellt der Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch eine unzulässige Frage, ist der Arbeitnehmer berechtigt, diese falsch zu beantworten. Das „Recht zur Lüge“ besteht in diesen Fällen, weil das Schweigen auf eine unzulässige Frage negativ ausgelegt werden könnte.
Fallen für ein Bewerbungsgespräch Reisekosten an, hat der Bewerber generell einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten, soweit der Arbeitgeber diesen Anspruch nicht im Voraus ausgeschlossen hat (§ 670 BGB).
Auskunftsanspruch des abgelehnten Bewerbers
In der Regel erhalten abgelehnte Bewerber ein freundliches Schreiben – aber keine Informationen über die Gründe für die Ablehnung.
Ein abgelehnter Bewerber kann damit nur schwer nachvollziehen, ob die Entscheidung gegen ihn gerechtfertigt war oder aus diskriminierenden Gründen (z. B. wegen des Alters) erfolgte. Damit fällt es dem Bewerber auch schwer, etwaige Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend zu machen.
Ob eine Diskriminierung vorliegt, kann ein Bewerber nur beurteilen, wenn er Informationen über die anderen Bewerber und insbesondere den eingestellten Bewerber hat.
Der EuGH (Urteil vom 19. April 2012 – Az. C-415/10) hat dennoch einen allgemeinen Auskunftsanspruch eines abgelehnten Bewerbers gegen den Arbeitgeber abgelehnt. Er stellte jedoch gleichzeitig klar, dass die Verweigerung jeder Information im Rahmen einer Gesamtbewertung durchaus ein Indiz für das Vorliegen einer Benachteiligung begründen könne.
Das BAG (Urteil vom 25. April 2013 – Az. 8 AZR 287/08) folgte dieser Entscheidung nicht uneingeschränkt. Es stellte klar, dass zwar grundsätzlich kein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Person des eingestellten Bewerbers und der Kriterien der Einstellung bestehe. Etwas anderes gelte aber dann, wenn diese Information erforderlich sei, um eine Entschädigung aus dem AGG geltend machen zu können oder wenn schon die Verweigerung der Auskunft die Vermutung einer Benachteiligung begründet. Arbeitgeber sind also gut beraten, die Auswahlentscheidung intern zu dokumentieren, um etwaigen Diskriminierungsvorwürfen begegnen zu können.
DER AUTOR____________________
Stefan Richter ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der internationalen Kanzlei Hogan Lovells International LLP, Büro Düsseldorf. Hogan Lovells berät nationale und internationale Unternehmen und gilt als eine der führenden Arbeitsrechtspraxen in Deutschland.