Die Ansprache von Kandidaten neu lernen

Fachkräftemangel und Social Media verändern das Recruiting. Wer diese Aufgabe erfolgreich ausfüllen will, braucht neue Kompetenzen.

Von Rainer Spies

2012 hat die Deutsche Bahn AG damit begonnen, ihre interne Organisation für die Beschaffung von Personal neu aufzubauen. Für die Region Süd wurden dabei bereits sieben Recruiter neu eingestellt und durch Schulungen auf ihre Aufgaben vorbereitet.

Recruitung: Aufgabenwandel

„Ein Recruiter sollte die gesamte Klaviatur des Personalmarketings beherrschen, technologieaffin sein und die verschiedensten Suchkanäle vernetzen können“, sagt Robrindo Ullah, Leiter Personalmarketing und Recruiting (Region Süd) bei der Deutschen Bahn AG. Die Ansprache von Kandidaten, die sich je nach Zielgruppe bis hin zumaktiven Sourcing erstrecke, habe sich extrem gewandelt. „Ich empfehle, gemischte Recruiter-Teams zu etablieren. Einem Team von Newcomern fehlt unter Umständen die nötige Seniorität, die beispielsweise bei der Rekrutierung von gestandenen Ingenieuren erforderlich ist“, rät Ullah zudem, der für sein Schulungskonzept jüngst den HR Excellence Award erhalten hat.

Einen erhöhten Ausbildungsbedarf im Recruiting hat auch die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) (Düsseldorf) ausgemacht. Seit 2011 bietet die Fachorganisation die elf Tage umfassende modulare Ausbildung „Recruiter“ an. „Es gibt viele Seminare, die sich speziell der Aufgabe der Personalauswahl widmen. Die strategische Ausrichtung des Recruitings steht allerdings bei keinem anderen Angebot im Vordergrund“, sagt Magdalena Chmielewska, Fachreferentin Themenmanagement und Koordinatorin der Ausbildung bei der DGFP.

Ausbildungsbedarf im Recruiting

Die DGFP definiert das Recruiting als einen umfassenden, integrativen Prozess und vermittelt in ihrer Ausbildung sowohl die operative als auch die strategische Seite der Personalbeschaffung. „Ziel der Ausbildung ist, eine Strategie für das jeweilige Unternehmen angefangen von der Ermittlung des Personalbedarfs bis zur Integration und Bindung der Mitarbeiter erstellen zu können“, sagt Chmielewska. Angesprochen werden mit der Ausbildung nicht nur Recruiter, sondern ebenso leitende Personalmanager, die eine Arbeitgebermarke entwickeln und den Recruitingprozess neu etablieren.

Im Recruiting gehe es längst nicht mehr darum, eine vakante Position ad hoc zu besetzten, betont Chmielewska. Personalbedarf müsse heute langfristig geplant und Talente frühzeitig angesprochen werden. Einen Tag widmet sich die Ausbildung der Frage, was eine talentorientierte Herangehensweise von einer traditionellen unterscheidet. Ebenso an einem Tag wird vermittelt, welche Verfahren beim Recruiting für welche Zielgruppen geeignet sind und welches Kosten-Nutzenverhältnis mit dem Einsatz jeweils verbunden ist. Komplettiert wird dieser Abschnitt mit einem Fokus auf die Frage, wie sich Personalmarketing und Recruiting durch Social Media verändern. „Die aktive Suche in Netzwerken und Datenbanken wird immer wichtiger, online wie offline“, sagt Chmielewska.

Kommunikation im Netz

Dass ein Recruiter im Netz ebenso wie im direkten Kontakt kompetent kommunizieren können muss, betont auch Robrindo Ullah. Gleichwohl stelle das Internet und speziell Social Media die Recruiter vor besondere Herausforderungen. Die Recruiter für die Region Süd der Deutschen Bahn haben in den verschiedensten sozialen Netzwerken persönliche Accounts und machen über ihre eigene Person auf das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber aufmerksam. „Ich vermittle ihnen, wie sie gezielt ihre Reputation managen können“, ermöglicht Ullah einen Einblick in die Recruiter-Ausbildung bei der Deutschen Bahn.

„Recruiting beginnt beim Marketing“, ist Christian Kabusch, Head of Talent Acquisition für die Sektoren Industry sowie Infrastructure and Cities der Siemens AG (München), überzeugt. Jede Stellenausschreibung und Job-Veranstaltung sei heute „Talentmarketing“. „Es reicht nicht aus, eine Stellenausschreibung verfassen und vorlesen zu können“, sagt Kabusch. Ein Recruiter repräsentiere sein Unternehmen und müsse jedem Talent befriedigend Auskunft über seine möglichen zukünftigen Aufgaben geben können.

Talente betreuen

Daneben zählt Kabusch die „klassische Talentbetreuung“, also das Managen der Vorauswahl, und das Sourcing zum Recruiting. „Die direkte Suche nach Kandidaten hält Einzug auch in technische und Schlüsselfunktionen“, sagt Kabusch. Ein Recruiter müsse nah am Bewerbermarkt agieren und wissen, wo und wie Kandidaten aktiv anzusprechen sind. Aber ebenso müsse ein Recruiter verstehen, welche Kompetenzen und Persönlichkeiten der jeweilige Linienmanager suche und diesem vermitteln können, wie realistisch die Suche nach einem bestimmten Kompetenzprofil ist.

Dass ein Recruiter den einstellenden Manager zu beraten hat, betont auch die DGFP. „Viele Unternehmen vergessen den ersten Schritt“, sagt Magdalena Chmielewska. Ein Recruiter definiere gemeinsam mit dem Linienmanager das erwartete Anforderungsprofil und übersetze dieses in eine für den Bewerbermarkt attraktive Sprache. Da im Laufe eines Auswahlprozesses bei Interviews und im Assessment Center (AC) auch der Manager Kontakt zu den Bewerbern habe, unterstütze der Recruiter diesen zudem im gekonnten Umgang mit den Talenten.

Gängige Verfahren der Personalauswahl

Die eigentliche Personalauswahl mache nach wie vor einen der wichtigsten Kernprozesse im Recruiting aus, meint Robrindo Ullah trotz aller neuen Entwicklungen. Ein Recruiter müsse daher egal ob Telefoninterview oder AC die verschiedenen Auswahlverfahren absolut beherrschen. Die DGFP vermittelt in ihrer Ausbildung einen Tag lang einen Überblick über gängige Verfahren der Personalauswahl und vertieft das Wissen bis hin zur Entwicklung von Tools. „Wir zeigen den Teilnehmern beispielweise, wie ein Online-Bewerbungsportal aufgebaut und Übungsaufgaben integriert werden können“, berichtet Chmielewska.

Die Ausbildung „Recruiter“ geht neben arbeitsrechtlichen Grundfragen im Recruiting allgemein und speziell bei der Suche im Internet schließlich auch auf den Aspekt ein, wie erfolgreich angeworbene Mitarbeiter integriert und gebunden werden können. „Die Bindung eines Mitarbeiters beginnt beim Recruiting“, ist Chmielewska überzeugt. So sei beispielweise nach einem erfolgreich verlaufenden Praktikum wichtig, den Praktikanten weiter zu betreuen und ihm später ein Jobangebot zu unterbreiten.